gemütliches Sofa mit Schaffell und Kissen

Klimaneutraler Abenteuerurlaub

Eigentlich wollte ich gerade in Spanien in der Sonne liegen. Das tue ich nun klimaneutral in Deutschland. Das ist doch mal eine gute Nachricht. In meinem Gärtchen fehlt es zwar am Meeresrauschen aber die Sonne lässt sich nicht lumpen. Hier in Frankfurt rauscht gerade gar nichts. Normalerweise schließe ich die Augen und stelle mir statt rauschenden Autobahnen Wasserfälle vor. Jetzt herrscht Stille. Würde sich unter meinem Dach keine sechsköpfige Familie tummeln, könnte ich mich ausgiebig der Erlangung meines Seelenfriedens widmen. Dieser stellt sich nun zwangsläufig und fremdgesteuert ein. Sobald das Geplapper zur abendlichen Medienkonsumzeit verstummt, hat die liebe Seele ruh. Bis dieses Ziel erreicht ist, gibt es allerhand zu tun. Die Kinder haben eine Menge Hausaufgaben, die sie erledigen müssen. Eigentlich sind jetzt Ferien aber diese wurden bei der Planung der Erledigung der Aufgaben großzügig mit einbezogen. Die Schule hat ihren Lehrauftrag kurzerhand den Eltern übertragen, denn neuer Stoff erklärt sich nicht von alleine. Ich habe versucht, meinen Beitrag dazu zu leisten. Statt meinen Urlaub mit einer Reise zu verplempern, stelle ich meine Zeit nun tapfer in den Dienst der Familie.

Mittlerweile bin ich aber ernsthaft besorgt, meine natürliche Autorität zu verlieren. Meine Kinder befinden sich in einem Alter, in dem man als Vater automatisch ein Held ist. Ok, vielleicht übertreibe ich ein wenig. Auf jeden Fall schauen sie zu mir auf oder wenigstens bei mir ab. Taten haben meiner Erfahrung nach größeren Wert als Worte. Ich habe beispielsweise mit meinem Sohn voller Hingabe binomische Formeln berechnet und war nach einer halben Stunde sehr zufrieden mit mir. Bis meine Frau mich darüber aufklärte, dass die meisten Aufgaben falsch gerechnet seien. In der Mathematik sind sie da sehr kleinlich, was Genauigkeit und Reihenfolge betrifft. Wenn man sich 35 Jahre nicht mit einer Materie beschäftigt hat, kann es schon mal zu Ungenauigkeiten kommen. Ähnlich erging es mir bei der Bestimmung von Adverben. Als das durchgenommen wurde war ich wohl gerade krank. Deutsche Grammatik kann verdammt kompliziert sein. Mit der Erklärung, am besten auf sein Sprachgefühl zu achten, stoßt man bei Schulprofis schnell an Grenzen. Mit Schulprofis sind hier Lehrkörper und Lernende gleichermaßen gemeint. Einen Vorteil hat das Ganze. Ich werde immer seltener mit komplizierten Fragen belästigt.

Damit meine Familie doch von meiner dauerhaften Präsenz profitieren kann, wende ich mich anderen wichtigen Bereichen zu. Meine Frau schickt mich beispielsweise einkaufen. Das ist heutzutage durchaus gefährlich und befriedigt meine Abenteuerlust.  Den großen Wocheneinkauf macht sie noch selber aber die kleinen vergessenen Einkäufe sind ja auch wichtig. So war ich heute beim Metzger und am Spargelstand. Der Erwerb einer Briefmarke ist mir nicht gelungen. Corona hat das vollendet, woran die Deutsche Post seit Jahren planvoll arbeitet: die Schließung aller Postfilialen. In unserem Stadtteil gibt es längst keine Postfiliale mehr. Die kleinen Zeitschriftenläden, die nebenbei Dienstleistungen der Post anbieten, haben ebenfalls vorübergehend geschlossen.  Mein Sohn wird sein Hausaufgabenpaket also nicht an seine Lehrerin schicken können. Es sei denn, ich fahre quer durch die Stadt, um wenigstens einen Briefmarkenautomat aufzuspüren. Durch die Krise soll die Digitalisierung einen Schub erhalten. Das stimmt schon. Bei uns gibt es Klavierunterricht und Nachhilfe per Videochat. Die Schule hat außer dem E Mail Verkehr aber nicht viel zu bieten. Außer der erwähnten Schnitzeljagd nach einer Briefmarke.

Eine weitere Herausforderung ist die Korrespondenz mit einem irischen Billigflieger, der mir noch Geld schuldet. Man bittet mich in einer automatischen Mail um Geduld, da es ein erhöhtes Aufkommen an Rückerstattungsanträgen für stornierte Flüge gäbe. In der Politik gibt es nun Rufe, die armen notleidenden Fluglinien und Tourismuskonzerne von solch lästigen Rückerstattungsansprüchen auszunehmen. Der Kapitalismus erstaunt mich immer wieder aufs neue. Ein zinsloses Darlehen eines Sozialarbeiters mit vier Kindern an eine ertragsstarke Fluglinie, die jahrelang Milliardengewinne erwirtschaftete und momentan keine Einnahmen hat, klingt fast logisch. Was soll`s. Ich habe solide gewirtschaftet und werde dem Großkonzern in seiner Not beiseite stehen. Ehrensache!

Richtiges Urlaubsgefühl kommt beim gemeinsamen Kochen auf. Wir haben unsere Alltagszeiten längst auf den Urlaubsmodus umgestellt. Auf ein spätes Frühstück folgt ein Mittagessen, das sich bis in den Nachmittag ausdehnt. Eigentlich kann man mit Kochen und Essen den ganzen Tag gestalten. (Über das Problem mit der Waage berichte ich an anderer Stelle.) Ich habe vergeblich versucht mich mit forciertem Ungeschick aus der Küche schmeißen zu lassen. Ohne Erfolg. Meine Frau fällt auf den Trick nicht mehr rein. Reis schmeckt auch ohne Salz und angebrannte Nudeln kann man auch noch gut essen, wenn die unterste Schicht nicht aus dem Topf gekratzt wird. Mittlerweile habe ich sogar ganz neue Sphären in unserem Kühlschrank erforschen dürfen. Ein Gebiet namens Gemüsefach fördert erstaunliche Dinge zutage. Eine Aubergine kann man mit Öl und Schafskäse sogar auf den Grill legen. Erstaunlich lecker!

Meine letzte Herausforderung nach dem Abwasch ist es eine geeignete Liegefläche zu finden. An Regentagen sind unsere zwei Sofas hart umkämpft. Bei Sonnenschein entzerrt sich das glücklicherweise. Im Garten findet sich immer ein sonniges Plätzchen für meine Klappliege. Dem Hautkrebs trotze ich mit Sonnenschutzfaktor 30. Leider gelingt es mir nicht mehr mir selbstständig den Rücken einzucremen. Zum Glück laufen hier genug Menschen rum, die das übernehmen können. Die können sich ja auch mal kümmern. Schließlich gehe ich auch dauernd an meine Grenzen. Morgen schaue ich mal in unseren Vorgarten nach dem Rechten. Straße fegen wird dann die Challenge für übermorgen. Eigentlich bin ich ganz froh, dass dieser ganze Freizeitstress momentan kein Thema ist. Ich erkläre das Stubenhocken einfach zu Kunstform. Und das ganz ohne schlechtes Gewissen.

Frohe Ostern und bleibt gesund!

20 Kommentare zu „Klimaneutraler Abenteuerurlaub“

  1. Frohe Ostern auch dir! Wenn ich das so lese, dann ist es ganz ok jetzt die vierte Woche allein zu sein. Obwohl…alles hat Vor- oder Nachteile.
    Ich bin jedenfalls froh, dass ich – wo ich doch eigentlich auch gerade das Meer rauschen hören sollte – wenigstens bei dir Schmunzeln konnte.

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    1. Ein hehres Ziel. Ich bin vor vielen Jahren schon einmal daran gescheitert. Leider sind die konkurrenslos billig. Nach Spanien fährt leider kein Zug und mit dem Auto ist es auch sehr mühsam. Das geschäftsgebahren der besagten Fluglinie verdient jedoch Widerstand.

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