Plakat mit der Aufschrift Antisemitismus schadet der Seele

Alles für die Katz – Letzter Teil

was bisher geschah Teil 14

Vier Wochen später war klar, dass Frau Feyerabend länger als 6 Monate in Haft bleiben musste. Das Sozialamt lehnte die Übernahme der Mieten ab. Thomas hatte Herrn Schaffernicht angeschrieben aber keinerlei Reaktion erhalten. Die erste Miete war nun überfällig. Nach zwei fälligen Monatsmieten wurde normalerweise eine Kündigung ausgesprochen. Die Zeit drängte. Vielleicht kann Herr Schaffernicht den Mietvertrag von Frau Feyerabend übernehmen und die Mietzahlungen beantragen, überlegte Thomas. Er wohnte ja schon dort. Wenn Frau Feyerabend einverstanden wäre, könnte das die Lösung sein. Er beschloss die Wohnungsbaugesellschaft und Frau Feyerabend über ihren Verteidiger per Mail, um Zustimmung zu bitten. Herrn Schaffernicht würde er einen Besuch abstatten müssen. Er verzichtete auf die obligatorische schriftliche Einladung, da er sowieso das Gefühl hatte, dass das in der Vergangenheit nicht sonderlich erfolgreich gewesen war. Spontan fuhr er zur Wohnung des Paares und klopfte wie so oft an die Türe, da das Klingeln ohne Reaktion blieb. Herr Schaffernicht öffnete und bat Thomas herein. Die Küchenzeile stand immer noch halb montiert im Raum. Dazwischen hatten sich kleine Häufchen mit Kleidung und Müll gebildet. Fußleisten und Lampen gab es nicht. Immerhin war das Sofa ausgepackt. Es schien Herrn Schaffernicht als Schlafstätte zu dienen. „Wo ist denn der Fernseher?, fragte Thomas. „Sabine wollte, dass ich ihn verkaufe, damit die Katze was zu fressen bekommt. Meine Stütze reicht nicht für Hundefutter, Katzenfutter und mein Essen. Resigniert fragte Thomas: „Warum schlafen Sie eigentlich auf dem Sofa?“ Herr Schaffernicht versuchte sich an einem merkwürdigen Gesichtsausdruck. Eine Mischung zwischen bedauern und gewitzter Weisheit erschien auf seinem Gesicht. Er sagte: „Die Bettwanzen sind zurück. Ich habe ihnen ja gleich gesagt, dass das alles nichts bringt. Die haben in den Wänden auf mich gewartet. Aber keine Sorge. Die sind nur im Schlafzimmer. Ich lasse die Türe einfach geschlossen.“ Thomas hoffte inständig, dass Herr Schaffernicht lediglich unter einer Paranoia litt und näherte sich vorsichtig der geschlossenen Schlafzimmertüre. Als er sie öffnete verschwand die Katze hinter dem Bett. Auch hier lag Kleidung herum. Thomas konnte jedoch keine Bettwanzen entdecken. Hoffnung keimte in ihm auf. „Schauen sie mal am Kopfteil des Bettes“, wies ihn Herr Schaffernicht an. Thomas konnte nichts sehen. „Die verstecken sich und sind noch ganz klein“, flüsterte Herr Schaffernicht. Klarer Fall von Psychose, dachte Thomas und schob das Bett beherzt zur Seite, um einen Blick auf die Rückseite des Kopfteils zu werfen. Leider war der Mann noch Herr seiner Sinne. Dutzende aufgescheuchte kleine Bettwanzen versuchten dem plötzlichen Licht zu entkommen. Wäre er Tierfilmer gewesen hätte er Grund zum Jubeln gehabt. Das war ein Bilderbuchexemplar eines Bettwanzennestes mit seinen juvenilen Bewohnern. Er war aber leider nur Sozialarbeiter und hatte wenig Freude an der Darbietung. „Ich habe sie schon mal mit Haarspray besprüht, aber das hat sie nicht beindruckt“, sagte Herr Schaffernicht in das sich ausbreitende Schweigen. „Aha“, sagte Thomas. Die Frage woher die Viecher kamen sparte er sich. Das wurde er wohl niemals herausfinden. Er musste sich seine Niederlage eingestehen. Die Wohnung war im gleichen Zustand wie zuvor. Sämtliche Tätigkeiten, die er in dem Fall unternommen hatte waren letztlich wirkungslos geblieben. Er musste leider oft feststellen, dass es Falle gab in denen es egal war, ob er interveniert hatte oder nicht. Die Dinge nahmen ihren Lauf, mit oder ohne ihn. Die Verlockung nichts zu tun war groß. Wenigstens habe ich es nicht schlimmer gemacht, tröstet er sich. Eine Menge Handwerker, Verwaltungsangestellte, Ärzte und Pfleger waren durch die Aktion in Lohn und Brot gekommen. Den Berufsstand des Sozialarbeiters nicht zu vergessen, sinnierte er. Volkswirtschaftlich war das ein voller Erfolg, fügte er sarkastisch im Gedanken hinzu. Thomas verabschiedete sich von Herrn Schaffernicht und versprach bei der Wohnungsbaugesellschaft erneut einen Kammerjäger zu bestellen. Vielleicht war es bei den kleinen Bettwanzen mit einer Nachbehandlung getan. Ernsthaft glaubte er das nicht. Er musste diesen Russlandfeldzug stoppen. Er musste raus aus Vietnam. Wie sollte er das anstellen? Noch einmal würde er das Theater nicht mitmachen. Er würde einfach behaupten das Paar sei nicht wohnfähig. Ein schöner Bericht gespickt mit Fremdwörtern und er würde es selber irgendwann glauben. Er könnte sich auch im Kindergarten um eine neue Stelle bewerben. Obwohl die Helikoptereltern auch ein hartes Brot waren. Melancholisch gestimmt kam er ins Büro zurück. Als er die Ablehnung des Vermieters für eine Übertragung des Mietvertrages las, war er erleichtert. Die Wohnungsbaugesellschaft hatte die Faxen offensichtlich dick. Die Mieteinnahmen würden ausbleiben und eine Kündigung mit Räumung war die Folge. Es gab nichts was er dagegen tun konnte, stellte Thomas zufrieden fest. Er schrieb einen schönen Abschlussbericht, für den ihn sein Chef später loben sollte, und schloss die Akte erfolgreich. Die juvenilen Bettwanzen fanden in dem Bericht keine Erwähnung. Wer würde sich schon für so ein paar Babywanzen interessieren? Ein wenig Kreativität musste schon sein, sonst kämen das Elend nie zum

Ende.

Ich bedanke mich bei allen Leserinnen und Lesern für die Kommentare und die Kritik. Ich hoffe mein Schreibexperiment hat vielen genau so viel Spaß gemacht wie mir.

12 Kommentare zu „Alles für die Katz – Letzter Teil“

  1. Ein Meisterstück der Sozialprosa! Und erschreckend nah an der Realität. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind natürlich rein zufällig.
    Es hat mir riesig Spaß gemacht. Vielen Dank für die tolle Geschichte.

    Gefällt 1 Person

  2. Schön, was du weiter oben über die Wahrheit der Geschichte gesagt hast. Ein sehr passender Vergleich. Ich hab hier wahnsinnig gerne mit gelesen, manchmal aktuell und manchmal auch viel später. Mit großer Freude habe ich es aber immer gemacht. Ich freue mich sehr auf deine nächste Erzählung, denn dass sie unbedingt kommen muss, steht völlig außer Frage 😉 herzlichen Dank für die Einblicke und das Teil hier.

    Gefällt 3 Personen

  3. Eine tolle und spannende Erzählung und ich bin noch nicht sicher, ob die Hinweise auf „erstunken und erlogen“ mich beruhigen in Bezug auf den Ausgang des Ganzen 😉

    Gefällt 2 Personen

Hinterlasse einen Kommentar