Die vergangene Woche habe ich hart arbeitend im Museum für komischen Kunst verbracht. Das Caricatura in Frankfurt am Main war Schauplatz meines diesjährigen Bildungsurlaubs. Die Gewerkschaft lud ein, sich mit den Grenzen von Satire zu beschäftigen. Das konnte ja heiter werden. Und das wurde es. Bis Februar 2020 läuft noch die wunderbare Ausstellung 40 Jahre Titanic. Die Titelbilder des Satiremagazins sowie Informationen zu einigen legendären Aktionen der Redaktion sind Inhalt der Ausstellung. So viel Humor überschattet jeden Bildungsurlaub.
Satire darf alles
Begonnen wurde mit dem obigen berühmten Tucholsky Zitat. Allerdings um es gleich einzuschränken. Direkte Beleidigungen und Volksverhetzung sind justiziabel. Satire richtet sich traditionell gegen bestehende Herrschaftsverhältnisse und nicht gegen Minderheiten. Hier liegt übrigens eine Grenze zur Satire der politischen Rechten. Die gibt es ebenfalls. Sie lebt von überzeichneten Vorurteilen und nicht von befreiender Aufklärung. Im geschichtliche Rückblick haben wir uns Hitler Karikaturen vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten angesehen. Hitler wurde als Hohlkopf oder Kriegstreiber mit Armeen von Sensenmännern dargestellt. Interessanterweise wird gemutmaßt, dass Goebbels diese Satiren witzig fand. Allerdings aus völlig anderen Bewegründen als der Verfasser. Er dürfte sich über die Unterschätzung Hitlers amüsiert haben oder die treffende apokalyptische Darstellung, die jeder zeitgenössische Betrachter als Übertreibung angesehen hatte. Er wusste, dass es sich um nahende Realität handelte und keine Übertreibung.
Man kann über sich selbst lachen
Katholiken lachen über den Papst und Nazis über Hitler? Durchaus möglich, denn der Mensch ist dazu in der Lage sich zeitweise zu distanzieren. Sogar von sich selbst. Hinter einer satirischen komischen Abbildung steht jedoch immer eine weitere Botschaft, die über den abgebildeten Inhalt hinausgeht und kritikwürdige zeitgenössische Zustände lächerlich machen will. In allen Satiren nach dem Krieg, die Hitlerabbildungen enthielten wurde nicht die Person Hitlers thematisiert, sondern Weltanschauungen oder Taten lebender zeitgenössischer Personen/ Institutionen. Hitler war nur Aufhänger oder Vehikel. Zum Beispiel: Wer kennt diesen Mann? Kritisiert wird hier der deutsche Verfassungsschutz nach seinem Versagen beim NSU Terror.
Die Wahrheit über die Juden
Ein Titelbild der Titanic enthielt obige Überschrift geschrieben in weißen Buchstaben auf schwarzem Grund. Das ganze erinnerte mich in der Aufmachung spontan an die Zeitschrift Stern. Schnell gab es eine hitzige Diskussion, ob hier eine Grenze überschritten ist. Gespielt wird mit einer verallgemeinernden Aussage über Juden. Es wird suggeriert es gäbe eine Wahrheit über Juden. In dem Heft wird auf die Frage natürlich in keiner Weise eingegangen. Wie auch. Es gibt lediglich einen Ankreuztest mit dem man feststellen kann, ob man Antisemit ist. Fragen sind sinngemäß: „Ich finde die Politik der Israelischen Regierung kritikwürdig“ oder „Ich finde die Politik der israelischen Regierung kritikwürdig (weil sie Juden sind)“. Hier sollen die reißerischen Titelüberschriften bestimmter Medien und die Unsicherheit der Deutschen mit dem Thema Antisemitismus lächerlich gemacht werden.
Höhepunkte der Woche waren die Besuche von Titanic Chefredakteur Moritz Hürtgen, der Titanic Freiexemplare verteilte (jawohl wir sind käuflich), vom Museumsdirektor des Caricatura Achim Frenz (Von wem oder warum wollt ihr eine Erlaubnis bei der Frage was Satire darf?) und von Nico Wehnemann, der für die Satirepartei Die Partei im Frankfurter Stadtparlament sitzt. (Wir machen alles transparent und sind deshalb von den anderen Parteien gefürchtet).
Eine wunderbare Woche und ein wunderbares Museum, das sich mit komischer Kunst beschäftigt. Wenn ihr in Frankfurt seit musst ihr Euch das unbedingt mal anschauen.
Da könnte man sich doch glatt überlegen, zwei Tage mit dem Zug hinzufahren.
Liebe Grüße,
Werner
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Ja, unbedingt. Das Museum entschädigt sogar für eine noch so abenteuerliche Bahnfahrt. 😊
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